Tarifvertragsrecht Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten bei Überstundenzuschlag

Das Bundesarbeitsgericht (BAG) hat entschieden, dass Teilzeitbeschäftigte diskriminiert werden, wenn eine tarifvertragliche Regelung die Überstundenzuschläge erst für Arbeitszeiten vorsieht, die die regelmäßige Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten überschreiten.

Sachverhalt

Im konkreten Fall war die Klägerin als Teilzeit-Pflegekraft bei einem Dialyseanbieter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet aufgrund der arbeitsvertraglichen Bezugnahme der Manteltarifvertrag (MTV) Anwendung, der zwischen dem Beklagten und der Gewerkschaft ver.di abgeschlossen wurde. Gemäß § 10 Ziffer 7 Satz 2 des MTV unterliegen Überstunden, die über die monatliche Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten hinausgehen und im betreffenden Kalendermonat nicht durch Freizeit ausgeglichen werden können, einem Zuschlag von 30 %. Alternativ zur Auszahlung des Zuschlags kann die entsprechende Zeitgutschrift auf das Arbeitszeitkonto des Arbeitnehmers erfolgen.

Die Pflegekraft hatte eine Menge Überstunden angesammelt, überschritt aber nicht die Arbeitszeit eines Vollzeitbeschäftigten. Gemäß der Regelung im Tarifvertrag bekam sie daher weder Zuschläge ausgezahlt, noch Zeitgutschriften auf ihrem Arbeitszeitkonto. Deshalb zog sie vor Gericht und forderte darüber hinaus Entschädigung nach § 15 Abs. 2 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG), weil sie wegen ihres Geschlechts schlechter behandelt werde.

Entscheidung des BAG

Das Gericht entschied zugunsten der Klägerin und sprach ihr die geforderte Zeitgutschrift sowie eine Entschädigung zu.

Diese Praxis benachteilige Teilzeitkräfte gegenüber Vollzeitkräften und verstoße gegen das Verbot der Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigten gemäß § 4 Abs. 1 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG). Fehlen sachliche Gründe für diese Ungleichbehandlung, liege zudem eine mittelbare Benachteiligung wegen des Geschlechts vor (§ 7 AGG), weil die Teilzeitbeschäftigten innerhalb des Unternehmens zu 90% weiblich sind.

Die Regelung des § 10 Ziffer 7 Satz 2 des MTV ist somit wegen des Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 TzBfG unwirksam.

Hinweis

Ein Überstundenzuschlag ist ein zusätzlicher finanzieller Ausgleich, der Arbeitnehmer:innen für Arbeitsstunden gezahlt wird, die über die vertraglich vereinbarte Arbeitszeit hinausgehen. Dieser Zuschlag dient als Anreiz und Kompensation für die zusätzliche Belastung, die mit der Leistung von Überstunden verbunden ist. Die Höhe und die Bedingungen für Überstundenzuschläge sind in der Regel in Tarifverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Arbeitsverträgen geregelt. In Deutschland gibt es keine gesetzliche Verpflichtung für Überstundenzuschläge. Sie basieren auf individuellen oder tariflichen Vereinbarungen.

Diese Entscheidung unterstreicht, dass tarifliche Regelungen, die Teilzeitbeschäftigte gegenüber Vollzeitbeschäftigten benachteiligen, unzulässig sind, sofern keine sachlichen Rechtfertigungsgründe vorliegen.

Quelle: Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 05.12.2024 – 8 AZR 370/20


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
27. Januar 2025

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