FG Münster, Urteil vom 02.09.2025 – 1 K 360/25 E Kein Steuerabzug für Opfer von Trickbetrug

Dramatische Telefonbetrügereien, bei denen ältere Menschen mit frei erfundenen Notlagen von Angehörigen zur Zahlung hoher Summen verleitet werden, beschäftigen regelmäßig Polizei und Justiz. Steuerlich aber sind solche Verluste nicht absetzbar – selbst wenn die Opfer in Panik handeln. Das Finanzgericht Münster entschied, dass ein an Trickbetrüger gezahlter Betrag nicht als außergewöhnliche Belastung im Sinne von § 33 Einkommensteuergesetz (EStG) geltend gemacht werden kann. Die Richter stellten klar: Auch emotionale Ausnahmesituationen schaffen keine steuerlich relevante „Zwangslage“.

Sachverhalt

Eine 77-jährige Rentnerin erhielt einen Anruf eines angeblichen Anwalts. Ihre Tochter habe einen tödlichen Verkehrsunfall verursacht und müsse in Untersuchungshaft – es sei denn, die Mutter zahle umgehend 50.000 Euro als „Kaution“. In Panik übergab die Frau das Geld einem Boten. Später stellte sich heraus, dass sie Opfer einer bekannten Betrugsmasche geworden war. Die Täter blieben unauffindbar, das Geld war verloren.

In ihrer Einkommensteuererklärung machte die Seniorin den Betrag als außergewöhnliche Belastung geltend. Sie argumentierte, sie sei durch den Anruf und die angebliche Notlage ihrer Tochter „zwangsläufig“ zu der Zahlung veranlasst worden. Das Finanzamt erkannte den Abzug nicht an – zu Recht, wie das Finanzgericht entschied.

Rechtliche Würdigung

Nach § 33 Abs. 1 EStG können Steuerpflichtige Aufwendungen, die ihnen zwangsläufig entstehen und die außergewöhnlich sind, als außergewöhnliche Belastungen geltend machen, soweit sie die zumutbare Eigenbelastung übersteigen. Zwangsläufigkeit liegt nur vor, wenn sich der Steuerpflichtige den Aufwendungen aus rechtlichen, tatsächlichen oder sittlichen Gründen nicht entziehen kann (§ 33 Abs. 2 S. 1 EStG).

Das Gericht stellte klar, dass diese Voraussetzungen hier nicht erfüllt seien. Die Zahlung an den Betrüger sei nicht zwangsläufig, sondern Folge einer – wenn auch nachvollziehbaren – Fehlentscheidung in einer emotional aufgeladenen Situation gewesen. Die Seniorin habe objektiv die Möglichkeit gehabt, vernünftig zu reagieren, etwa durch Rücksprache mit ihrer Tochter oder einen Anruf bei der Polizei. Eine unmittelbare Gefahr für Leib oder Leben habe nicht bestanden.

Selbst nach dem vom Betrüger geschilderten Szenario hätte keine echte Notsituation vorgelegen, die eine sofortige Zahlung zwingend erscheinen ließ. Das Gericht betonte, dass eine vermeintliche „Zwangslage“, die auf Täuschung und Fehleinschätzung beruht, keine steuerliche Zwangsläufigkeit begründet.

Verluste infolge von Betrug, Diebstahl oder ähnlichen Delikten sind nach ständiger Rechtsprechung nicht als außergewöhnliche Belastungen abziehbar, wenn sich durch sie nur das allgemeine Lebensrisiko verwirklicht hat. Nur in extremen Ausnahmefällen – etwa bei unabwendbarer Gefahr für Leib oder Leben – könne etwas anderes gelten.

Bewertung

Das Urteil bestätigt die strenge Linie der Finanzgerichte beim Abzug außergewöhnlicher Belastungen: Selbst gravierende finanzielle Schäden infolge krimineller Täuschung führen nicht zu steuerlicher Entlastung, wenn dem Opfer eine realistische und zumutbare Handlungsalternative offenstand.

Für Steuerpflichtige bedeutet das: Emotionale Betroffenheit ersetzt keine Zwangsläufigkeit im Sinne des § 33 EStG.Verluste durch Betrug, Anlagefallen oder Täuschungen sind privates Lebensrisiko – nicht Sache des Fiskus.

Für Berater zeigt das Urteil zugleich, wie wichtig es ist, Mandanten über die engen Grenzen des § 33 EStG aufzuklären. Selbst tragische oder moralisch bedauerliche Umstände ändern nichts daran, dass das Steuerrecht emotionale Ausnahmeentscheidungen nicht kompensiert.

Quelle: FG Münster, Urteil vom 02.09.2025 – 1 K 360/25 E


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
7. Oktober 2025

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