Haftungsverteilung bei „Touristenfahrt“ auf dem Nürburgring – erhöhte Betriebsgefahr, aber überwiegender Abstandsverstoß Unfall auf dem Nürburgring: Wer haftet?

Auch bei sogenannten Touristenfahrten auf dem Nürburgring gilt die Straßenverkehrsordnung uneingeschränkt. Der Betrieb eines Fahrzeugs auf einer Rennstrecke begründet jedoch eine gegenüber dem normalen Straßenverkehr erhöhte Betriebsgefahr. Kommt es nach einem Sturz eines Motorradfahrers zu einem Auffahrunfall, kann dessen Haftpflichtversicherung aus dieser erhöhten Betriebsgefahr anteilig haften, selbst wenn der Sturz für den Folgeunfall nicht unmittelbar kausal war.

Sachverhalt

Während einer Touristenfahrt auf der Nordschleife stürzte ein Motorradfahrer, dessen Fahrzeug auf der Strecke liegen blieb. Ein nachfolgender BMW M4 bremste stark ab; ein dahinter fahrender Pkw-Fahrer (Kläger) fuhr auf. Er verlangte Schadensersatz vom Motorradfahrer und dessen Haftpflichtversicherung, da der Sturz den Folgeunfall ausgelöst habe.

Entscheidung

Das LG Koblenz sprach dem Kläger lediglich 20 % Ersatz zu. Der Auffahrende habe gegen die Abstandsregel des § 4 Abs. 1 StVO verstoßen und trage die Hauptverantwortung für den Unfall.

Gleichwohl sei die Betriebsgefahr des Motorrads erhöht gewesen, weil Touristenfahrten auf einer Rennstrecke typischerweise mit überdurchschnittlichen Risiken verbunden seien. Diese Gefahr habe sich mit dem Sturz realisiert. Auch ohne Berührung zwischen den Fahrzeugen habe der Betrieb des Motorrads das Unfallgeschehen mitverursacht (§§ 7, 17, 18 StVG).

Rechtliche Würdigung

Das Gericht stellt klar: Auf öffentlichen Abschnitten der Nordschleife gelten die allgemeinen Verkehrspflichten, insbesondere die Einhaltung eines ausreichenden Abstands und einer angepassten Geschwindigkeit. Wer bei hoher Geschwindigkeit zu dicht auffährt, trägt das Hauptrisiko einer Kollision.

Gleichzeitig kann bei Unfällen auf Rennstrecken eine erhöhte Betriebsgefahr berücksichtigt werden, da die besondere Streckenführung und Fahrweise ein überdurchschnittliches Schadensrisiko schaffen.

Bewertung

Das Urteil verdeutlicht, dass „Touristenfahrten“ kein rechtsfreier Raum sind. Auch dort gilt die StVO – allerdings unter erschwerten Bedingungen. Das LG Koblenz wählt mit einer Haftungsquote von 20:80 eine differenzierte Lösung: Der Auffahrende bleibt für seinen Abstandsfehler überwiegend verantwortlich, doch die erhöhte Betriebsgefahr des gestürzten Motorrads führt zu einer moderaten Mithaftung.

Quelle: LG Koblenz, Urteil vom 16. 09. 2025 – 5 O 123/20


Ein Fachbeitrag aus dem DIRO-Netzwerk

Beitrag veröffentlicht am
14. Oktober 2025

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